Wednesday, March 18, 2009

Gastarbeiter in der NS-Zeit

Hätten Sie's gewusst?

Ich gebe zu, dass mich die Erkenntnis durchaus überraschte. Wenn wir von Gastarbeitern reden, dann meinen wir in der Regel diejenigen, die in der Zeit des Wirtschaftswunders nach Deutschland kamen und in der Industrie zum Aufschwung nach dem zweiten Weltkrieg beitrugen.

Tatsächlich gab es aber auch schon etwa zwei Jahrzehnte früher Gastarbeiter (wohlgemerkt keine Zwangsarbeiter). Berichte darüber finden sich beispielsweise in diversen Augsburger Regionalzeitungen vom 8./9. April 1938. Am Siebten desselben Monats war in der Stadt nämlich ein Schauspiel zu beobachten, dass viele Bürger anzog.

Um 14:32 Uhr kam am Hauptbahnhof ein Zug mit ca. 1000 italienischen Gastarbeitern aus Bologna und einigen anderen Provinzen an. Diese waren Mitglieder der "Faschistischen Landarbeiter" und hatten sich freiwillig zur landwirtschaftlichen Arbeit in Brandenburg gemeldet. Der Zug, der sie nach Berlin bringen sollte, musste einen längeren Aufenthalt einlegen, der für einen Besuch der Stadt genutzt wurde.

Zunächst marschierte der Trupp in Begleitung einer Kapelle zum Rathaus, übrigens "streng geordnet in Viererreihen", wie ein Artikel vermerkt. Wie damals bei offiziellen Anlässen üblich, waren auch "Heil Hitler!" und "Duce!"-Grüße zu verzeichnen, wobei ein Autor sich über die Aussprache der Italiener lustig machte ("Itler"). Im Rathaus erfolgte eine Ansprache durch den Bürgermeister, die von ortsansässigen Italienern übersetzt wurde.
Es folgte ein Abendessen im "Saalbau Herrle", bezahlt von der NS-Organisation "Kraft durch Freude". Mit sichtlichem Stolz wird vermerkt, dass den Italienern das bayerische Bier sehr gut geschmeckt habe. Einem Reporter fällt auch auf, dass die Gäste Abzeichen der Hitlerjugend tragen. Es stellt sich schließlich heraus, dass ihnen diese von kleinen Jungen geschenkt worden waren. Einer von ihnen bekam im Gegenzug ein italienisches Geldstück, wofür er sich artig mit "Gracia" bedankt habe.

Die Zeit des Aufbruchs kam recht bald, und es ging - wiederum mit Musikbegleitung - zum Bahnhof, wo um 22 Uhr die Abfahrt Richtung Berlin erfolgte.

Der Frohsinn der Italiener muss den Zeugen dieses Tages wohl lange im Gedächtnis geblieben sein. Ein Berichterstatter schreibt hierzu: "Nun, wo sie hinkommen, mag man sich freuen! Sie bringen soviel Stimmung mit, dass auch dem Missmutigsten das Herz aufgehen muss."


Diese kleine Begebenheit aus dem Jahre 1938 soll die Vielfältigkeit des Themas Gastarbeit verdeutlichen. Dass sie nicht ganz in Vergessenheit gerät, hofft

achim

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