Wir sitzen im Lesesaal des Stadtarchivs zu Augsburg, soeben von einer Führung durch die Bestände zurückgekehrt, und unterhalten uns über die Eindrücke die meterhohen Regale und Schuhkartons mit versiegelten Urkunden früherer Jahrhunderte auf uns hinterlassen haben. Vor uns türmen sich weitere Dokumente auf einem kleinen Wagen, extra für uns zusammengetragen um unseren Wissensdurst nach Lebenswegen der Menschen in und um Augsburg zu stillen. Eines der Bücher fasziniert mich besonders, älter als die anderen Schätze, aus der frühen Neuzeit: Das Bürgerbuch Augsburgs. Es handelt sich hierbei um ein Verzeichnis aller Personen die im Zeitraum 1557 bis 1680 das Bürgerrecht dieser Stadt zugesprochen bekamen. Als Lukas und ich es aufschlagen überwältigt uns erst einmal das Schriftbild: Kaum eines dieser Schriftzeichen sieht auf den ersten Blick irgend einem unserer Buchstaben ähnlich. Erst bei näherem Hinsehen erkennt man etwas. Die erste halbe bis dreiviertel Stunde beschäftigten wir uns also mit Entziffern der Handschriften, welche sich über 123 Jahre immer wieder änderte, je nachdem wer Protokoll führte, bevor wir überhaupt mit irgendetwas anderem anfangen konnten. Schlussendlich sind wir aber dazu in der Lage gewesen relativ fließend und zu großen Teilen ohne Lücken zu übersetzen. Nach einer kurzen Pause hieß es: Frisch ans Werk!
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Zu den aufgenommenen Informationen über die neuen Bürger der Stadt Augsburg gehören zu allererst Name und Herkunft. Des weiteren wurde von Zeit zu Zeit registriert ob jemand verheiratet oder ledig war, Kinder hatte, welchen Beruf er oder sie ausübte, oder welche Handwerksberechtigung er oder sie erwerben wollte, bzw. welches Handwerk er oder sie ausübten. Außerdem benötigten manche Leute einen "Pürgen". Am Ende sah das zum Beispiel wie folgt aus:
Margretha Rüdlerin von Werttingen, ist zu ainer Bürgerin angenommen worden, hat an Barem gelt vier hundert guldin, Jrn Pürgen sein Junkherr Carl Jmhof, und Hans Laubhaimer, dü will auch der Kramer gerechtigkait erkauffen, Actum den 27. August a. 75
Dieser Eintrag stammte aus dem Jahre 1575, wie man aus den folgenden schließen konnte, bei denen die Jahreszahl ausgeschrieben wurde. Im Vergleich zu 1557 ist er bereits sehr ausführlich. Zu Beginn wurden durchgehen nur Namen und Herkunft aufgeschrieben bis Anno 1559 folgendes hinzugefügt wurde (unvollständig):
Auff. 18 May Anno 59Ich konnte leider nicht mehr und genauer entziffern, aber offenbar schien erst ab dem besagten Tage die Notwendigkeit eines "Pürgen" oder "Bürgen" in Kraft zu treten, sobald man über kein Vermögen verfügte, das sozial absichern konnte.
Ist durch ain Ersamen -ache alhie erkannt worden, Das hinfuro die Herren Baiemaister, von allen personen, die zu Bürger angenommen werden, und kains vermögens sein, d---e bürgschafft von Jnen er-ordern, das dü sich, nach erkauffung dess Bürgerrechtens Jnn den negsten fünff Jaren darnach, dess All---sen --kel- nit ge----chen wollen.
Wir suchten nach weiteren Auffälligkeiten in den Aufzeichnungen die interessant wären und konzentrierten uns somit die meiste Zeit auf die Einträge zwischen 1618 und 1648, dem Zeitraum des Dreißigjährigen Krieges. Nachdem wir alles durchgeblättert hatten zählten wir die Anzahl der Personen denen jährlich das Bürgerrecht zugesprochen wurde. Ergebnis: Vor 1618, innerhalb von 60 Jahren, wurden 47 Seiten beschrieben, zu Kriegszeiten, über eine Zeitspanne von 30 Jahren, bereits 41 Seiten. Geschätzt das pro Seite ca. 4 bis 6 Einträge standen, abgesehen von den ersten zwei Jahren, 1557 und 59, in denen so wenig Information aufgenommen wurde, dass ca. 8 bis 10 auf einer Seite Platz fanden, kommt man zur Schlussfolgerung, das offenbar während dem Krieg zunehmend Menschen nach Augsburg kamen und schließlich auch das Bürgerrecht erkaufen wollten, besonders auch Soldaten. Ob oder in wie fern dieser Zuwachs durch den Krieg bedingt und beeinflusst war konnten wir jedoch noch nicht weiter herausfinden.
Außerdem wurden gegen Ende des Krieges, genau genommen Mitte 1644, weitere Regelungen hinzugefügt: Die Bürder Aide. Fortan legten neu hinzugezogene auch noch einen Schwur ab bevor ihnen das Bürgerrecht zugesprochen werden konnte.
"Ich werden schweren, Das zu meinen herzen, Statpflegern, Bürgermaistern, und ainem Erbarn Rath diser Statt Augsburg getreu und gehorsam sein..."Dazu wurde noch ein Anschlag abgeschrieben, der scheinbar wichtig war. Weswegen genau ist uns aber leider nicht bekannt. Außerdem, was uns erstaunte, exakt die gleiche Schrift wie von 1559: "Auff. 18 May Anno 59...".
Allerdings haben wir nicht mehr herausfinden können worum es sich bei den "Bürger Aiden" genau handelte und die Schrift des Anschlags war bereits ziemlich verblichen.
Nachdem die Bürger Aide eingeführt wurden schien sich die Zahl der neuen Bürger zunehmend zu verringern, von einstweiligen Extremen abgesehen (z.B. 1649 mit 24 Einträgen).
1680 hören die Einträge dann auf.
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